Statistik ED D 2012 kommentiert in Welt am Sonntag - Safer Cities

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Statistik ED D 2012 kommentiert in Welt am Sonntag

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Albtraum Einbruch
Welt am Sonntag 12.05.13
Die Täter gehen immer brutaler vor. Sie fesseln, knebeln und schlagen die Opfer. Dann rauben sie sie aus. Die Zahlen beim Wohnungseinbruchdiebstahl steigen, doch die Aufklärungsquote sinkt Von Martin Lutz

An einem Dienstag um 15.30 Uhr klingeln zwei Männer bei Helene Kaiser*. Sie geben sich als Mitarbeiter einer Wohnungsbaugenossenschaft aus und wollen nur mal den Wasserdruck überprüfen. Die 87-jährige Rentnerin aus Schenefeld bei Hamburg öffnet die Tür. Ihre Gutgläubigkeit hat schwere Folgen: Die alte Dame wird gefesselt und dann ausgeraubt. Die Ganoven, die akzentfrei Deutsch sprechen, stehlen Schmuck und Bargeld. Dann flüchten sie unerkannt. Helene Kaiser kann sich erst nach zweieinhalb Stunden selbst aus ihren Fesseln befreien und die Polizei rufen. Sie steht noch immer unter Schock und leidet bis heute unter Panikattacken. Mittlerweile lebt sie in einem Pflegeheim. Sabine Zurlo, Präventionsbeamtin der Polizeidirektion Bad Segeberg, warnt deshalb: "Man sollte niemals Unbekannte in die eigenen vier Wände lassen."

Helene Kaiser ist eines von insgesamt 3025 Opfern, die im vergangenen Jahr in ihrer Wohnung überfallen und beraubt worden sind. Solche Delikte häufen sich in
Deutschland, sie nahmen um 3,9 Prozent zu, wie aus der neuen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für 2012 hervorgeht. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellt sie am Mittwoch in Berlin vor, das 70 Seiten umfassende Dossier liegt der "Welt am Sonntag" schon jetzt vor.
Hinter den Zahlen steckt ein besorgniserregender Trend: Die Täter gehen immer brutaler vor. Das zeigt ein spektakulärer Fall aus Berlin, der kürzlich für Schlagzeilen sorgte. In der beschaulichen Villengegend Hermsdorf hatten zwei maskierte Täter nachts um 2 Uhr eine Leiter an die Hauswand gestellt und waren im ersten Stock eingestiegen. Der Mieter wurde aus dem Schlaf gerissen, es kam zum Kampf. Die Eindringlinge schlugen ihn nieder, knebelten und fesselten ihn an einen Sessel. Dann traten die Männer auch noch die Tür der Nachbarwohnung ein und überwältigten dort eine Seniorin. Als andere Hausbewohner die Polizei holten, waren die Verbrecher längst weg.

Für Minister Friedrich ist die Vorstellung der Kriminaltrends der wichtigste Termin des Jahres. Allerdings hat er wenig Erfreuliches zu verkünden. Zwar stagniert die Gesamtkriminalität knapp unter der Marke von sechs Millionen polizeilich erfasster Straftaten. Aber wenn Friedrich bei der Präsentation der PKS ehrlich ist, wird er erklären müssen, dass der Staat das Eigentum der Bürger immer schlechter schützen kann. Während in anderen Deliktsgruppen die Kriminalität zurückgeht, ist das Plündern von Haus und Wohnung zu einer Plage geworden.

Aktuell ist die Zahl beim Einbruchdiebstahl um 8,7 Prozent auf 144.117 Fälle in die Höhe geschnellt. In 61.200 Fällen davon kamen die Täter tagsüber, ein Plus von 9,5 Prozent. Beim Wohnungseinbruch gehen die Zahlen schon seit 2009 kontinuierlich nach oben. Bezogen auf dieses Jahr beträgt die Steigerungsrate fast 30 Prozent.
Die höchsten Zuwachsraten beim Wohnungseinbruch hat Niedersachsen mit einen Anstieg um 24 Prozent. Deutlich über dem Bundesschnitt liegen auch Brandenburg (plus 17 Prozent) sowie die Stadtstaaten Hamburg (plus 9,4 Prozent) und Berlin (plus 11,7 Prozent). Es trifft in der Hauptstadt immer öfter wohlhabende Menschen.
In der Extra-Rubrik "Villa/Einfamilienhaus" steht ein satter Zuwachs von 32 Prozent.

Erschreckend niedrig bleibt die Aufklärungsquote beim Einbruch. Alle Bundesländer haben zwar längst Beratungsstellen der Polizei eingerichtet, doch das bringt nicht viel. Während die Quote bei der Gesamtkriminalität 54,4 Prozent beträgt, liegt sie republikweit lediglich bei 15,7 Prozent.
Unter den wenigen gefassten Tätern sind häufig Drogenabhängige, die schnelles Geld für Rauschgift brauchen. Diese Gelegenheitsdiebe sind noch vergleichsweise leicht zu überführen. Nach Erkenntnissen des hessischen Landeskriminalamts reicht das Spektrum vom "örtlichen Einzeltäter bis zu mobilen, hochorganisierten und planvoll vorgehenden internationalen Gruppen". Banden würden häufig aus "Südosteuropa" anreisen – aus Ex-Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien. Sie setzen ganz bewusst auch strafunmündige Kinder und Jugendliche als Diebe ein. In Berlin sind neuerdings sogenannte "Kletterbanden" unterwegs, die über die Regenrinnen in die oberen Etagen einsteigen.

Über die psychische Verfassung der Opfer, denen die albtraumhaften Bilder noch lange im Gedächtnis haften, sagt die polizeiliche Statistik nichts aus. Viele leiden unter Schlafstörungen, Ohnmachtsgefühlen oder chronischer Nervosität. Studien zufolge würde jeder zehnte Geschädigte am liebsten sofort umziehen. Mancher muss sich sogar in psychologische Betreuung begeben. Eine traumatologische Erstberatung vermittelt zum Beispiel der Opferverein Weißer Ring. Einbruch ist immer auch ein Eindringen in die Privatsphäre.

Selbstverständlich ist auch der finanzielle Schaden enorm. Der Gesamtverband der Versicherer (GdV) beziffert ihn bundesweit auf 470 Millionen Euro, das sind 50 Millionen Euro oder zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. "Die Kosten haben einen neuen Rekord erreicht. Im Durchschnitt hinterlassen Einbrecher 3300 Euro Schaden", sagte Jörg von Fürstenwerth, der Vorsitzende der GdV-Hauptgeschäftsführung, der "Welt am Sonntag". Das liege daran, dass sich in immer mehr Haushalten teure elektronische Geräte befänden. Bevorzugte Beute ist alles, was in den Rucksack passt: Geld, Schmuck, Kameras, Laptops, Tablet-PCs und
Smartphones. Am Tatort sieht es fast immer gleich aus: durchwühlte Schränke, demolierte Zimmer, aufgebrochene Türen und Fenster. Das Bild gleicht meist einem kleinen Schlachtfeld.
Wie kann man sich vor Wohnungseinbruch schützen? Türen und Fenster, die nicht speziell gesichert sind, lassen sich meist in nur zehn bis 20 Sekunden aufhebeln. Die im Auftrag der Innenministerkonferenz tätige Zentralstelle der Kriminalprävention (www.polizei-beratung.de) und die Kampagne "K-Einbruch" (www.k-einbruch.de) raten vor allem erst einmal zu einem soliden mechanischen Einbruchsschutz. Oft hilft schon ein Querriegelschloss für etwa 300 Euro. Deutlich teurer sind "Pilzkopfverriegelungen" für Balkontüren, die sich im Rahmen verkeilen.

Wegen der hohen Kosten fordert Bernhard Witthaut, der scheidende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), seit Langem verbesserte steuerliche Anreize zur Sicherung der eigenen vier Wände. Er könnte sich auch ein Förderprogramm für den Einbruchsschutz mit zinslosen Darlehen vorstellen. Doch für solche unkonventionellen Vorschläge reicht die Fantasie der Politiker offenbar nicht aus. Stattdessen wird in den Bundesländern gespart. Viele Einbruchkommissariate wurden personell ausgedünnt. "In einigen Ländern gibt es gar keine klassische Kripo mehr. Das wissen aber nur die wenigsten. Die Rechnung für diesen Irrsinn zahlen jetzt die Bürger", sagt André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Es ist in der Tat irrsinnig, dass die Polizei bei den Alltagsdelikten oft nur machtlos zuschauen kann. Sie ist bloß noch eine Sammelstelle für die nächste PKS.


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